NGfP Kongress (1. bis 4. März 2012 an der FU Berlin)
„Was soll man von Erfahrungswissenschaften halten, deren ‚Bedingungsanalyse’ und Problembestand zeigt, dass ihnen dieser Schreck nie in die Glieder gefahren ist?“. Diese Frage, die Peter Brückner (1922-1982) eingangs in Sozialpsychologie des Kapitalismus aufwirft, kann sowohl als Leitgedanke seiner Arbeit verstanden, als auch zum Beleg seiner Aktualität herangezogen werden. Denn davon, dass der Erfahrungswissenschaft Psychologie der Schrecken des Faschismus nicht in die Glieder gefahren ist, zeugt ihre immer noch konsequente Ablehnung all dessen, was sie unter politisch versteht.
Peter Brückner, der das Institut für Sozialpsychologie an der Uni Hannover gründete, war seinerzeit neben Klaus Holzkamp der wohl bekannteste kritische Psychologe innerhalb Deutschlands. Seine Sympathie zur Studierendenbewegung, seine differenzierte Auseinandersetzung mit der RAF und seine Freundschaft zu Ulrike Meinhof machten Brückner zum Ziel staatlicher Repressionsmaßnahmen und Angriffen der Presse. Heute ist Brückner, gegen dessen Amtsenthebung Michel Foucault 1978 in Hannover demonstrierte, beinahe vollständig vergessen. Dieser Umstand ist vermutlich der engen zeitlichen Begrenztheit der Gegenstände seiner Analysen geschuldet. Die aktualpolitischen Geschehnisse, wie etwa die Remilitarisierung der BRD, mit denen Brückner sich beschäftigte, entsprechen nicht mehr den gegenwärtigen Verhältnissen und können daher schnell als überholt abgetan werden. Gerade ihre Zeitweiligkeit machen Brückners Untersuchungen jedoch uneingeschränkt bemerkenswert. Anstatt nach vermeintlich immer gültigen Gesetzmäßigkeiten zu suchen oder sich in den Dienst des Arbeitsmarktes zu stellen, entwickelt Brückner seine psychologischen Überlegungen an konkreten historischen Umständen und mit emanzipatorischem Interesse.
Mit dieser gesellschaftskritischen Herangehensweise gelingt es Brückner, Holzkamps Forderung einer Psychologie, die nicht „an den wesentlichen Fragen des menschlichen Lebens vorbeiforscht“ einzulösen.
Anlässlich des 30. Todestages Peter Brückners veranstaltete die Neue Gesellschaft für Psychologie vom 1. bis zum 4. März 2012 den Kongress „Sozialpsychologie des Kapitalismus heute“ an der Freien Universität Berlin. In den zahlreichen Vorträgen, Workshops und Foren des Kongresses wurde sowohl über die Arbeit Brückners und deren Bezug zu anderen kritisch-psychologischen Ansätzen, als auch über tagespolitische Themen diskutiert. Der Kongressband wird voraussichtlich Anfang 2013 im Psychosozial-Verlag erscheinen.
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